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ALEXANDER  S. PUSCHKIN : „DER POET UND DIE MACHT“

 

Es sind für Europa äußerst dramatische Zeiten gewesen, in denen der junge Puschkin aufgewachsen ist. Genannt seien die französische Revolution, Napoleons Eroberungsfeldzüge, der Wiener Kongress und die dabei beschlossene Restauration, eine brutale Repression, die sich mit dem Namen  Metternich verbindet.

 

Notorischer Vielleser, geistig hellwach, neugierig und vielseitig interessiert, ist Puschkin schon früh mit den Ideen der europäischen Aufklärung und der französischen Revolution in Berührung gekommen. Namentlich die Konzeption des Rechtsstaates, die von der Universität in Göttingen über seine Lehrer am Lyzeum in Zarskoje Selo, seiner Schule, an ihn gekommen war, hat ihn intensiv beschäftigt. Das hat denn auch seinen Niederschlag in seinen Gedichten gefunden. Ausdrücklich genannt wird Göttingen im Onegin.


Zwei historische Ereignisse sind es gewesen, die den jungen Dichter nachhaltig geprägt haben: Zum Einen Napoleons Feldzug gegen Russland und zum Anderen der Dekabristenaufstand in Petersburg. Dessen Protagonisten gehörte zwar seine ganze Sympathie, weil er aber wegen diverser Unbotmäßigkeiten zum Zeitpunkt der Erhebung aus der Hauptstadt auf das Landgut seiner Mutter in Michailovskoje verbannt gewesen ist, war er – zu seinem Glück -  daran gehindert, aktiv an dem Geschehen teilzunehmen. Allgemein bekannt war allerdings, dass  wichtige  Häupter der Erhebung zu seinem engsten Freundeskreis gehörten und seine kritischen, um nicht zu sagen aufrührerischen Verse unter den Aufständischen kursierten. Deshalb ließ es sich der neue Zar dann auch nicht nehmen, nach der brutalen Niederschlagung des Aufstandes den populären Dichter einem Kreuzverhör unter vier Augen zu unterziehen. Nach der Unterredung soll er geäußert haben, er habe eben mit dem klügsten Menschen Russlands gesprochen. Er amnestiert Puschkin und sagt ihm zu, er selbst werde in Zukunft der Zensor Puschkins sein. Dazu kommt es im weiteren Verlauf natürlich nicht. Das übernimmt vielmehr die Geheimpolizei, unter deren Schikanen Puschkin dann bis an sein Ende zu leiden haben wird.


Nun ist Puschkin alles andere als ein politischer Revolutionär gewesen. Überzeugter Patriot der er war, wäre er vermutlich seinem Zaren gern ein loyaler Untertan gewesen. Dem standen aber sein glühendes Freiheitsbedürfnis, sein sensibles Gespür für Gerechtigkeit, und seine unbedingte Wahrheitsliebe entgegen, nicht zu sprechen von seiner überlegenen Intelligenz mit der daraus resultierenden provozierenden Spottlust, von seiner notorischen Freigeisterei und seinem künstlerischen Gewissen.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Puschkins Werdegang  als Dichter geprägt gewesen ist von dem unablässigen Kampf um seine künstlerische Identität, um seine Glaubwürdigkeit vor seinem Publikum, von dem er sich in seinem Anspruch unverstanden und mißachtet erlebte, vor seinen Freunden, vor der Geschichte – er hatte ja durchaus eine Vorstellung von seiner Bedeutung - und vor sich selbst; ein Kampf, den er zu führen hatte gegen die ihn umgebende aggressiv intrigante Ignoranz, gegen das Misstrauen seiner Freunde und nicht zuletzt gegen den unerbittlichen Anspruch an sich selbst.


Dieser Gemengelage – sicher nur ein Teil des Puschkin`schen Kosmos – hat uns bei der Zusammenstellung unseres Programms beschäftigt. Ihr versucht sich unsere Auswahl seiner Verse anzunähern; Gedichte Puschkins, die wir dem Publikum im Dialog mit Musik der Zeit vorstellen möchten, mit Kompositionen, die sich auf ihre Weise mit den geschilderten Zeitläuften auseinandersetzen.

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