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Artikel für die Umschau (Heft 57) der Arbeitsgemeinschaft der Literarischen Gesellschaften und Gedenkstätten e.V., deren Mitglied wir sind.

© Foto: Clotilde von Rintelen,
geb. Gräfin von Merenberg,
langjährige Vorsitzende der Gesellschaft mit einem Portrait ihres Ururgrossvaters A. Puschkin in der Hand,
anlässlich einer kürzlichen Ehrung.

Die Deutsche Puschkin-Gesellschaft ist ein Spätling im Kreis der traditionsreichen, deutschen Literarischen Gesellschaften.

Zum einen hätte man erwarten können, dass angesichts der Bedeutung der russischen Literatur weltweit und ihrer Relevanz gerade auch in Deutschland, der russische Nationaldichter Alexander Puschkin, im eigenen Land auch heute noch nach mehr als zweihundert Jahren Inbegriff russischer Sprachkunst und europäischen Geistes, längst Förderung und Interesse gefunden hätte. 

Zum anderen drohte bildungsbürgerliches Engagement angesichts des überwältigenden Zugriffs der digitalen Medien auch auf die Bereiche der Literatur seine Wirkungsmacht zu verlieren.

Die zweite Hälfte der 80er Jahre war geprägt von der Modernisierungs- und Öffnungspolitik Gorbatschows und einem sich stetig ausweitendem Interesse an Russland, das über den sowjetisch vorgegebenen Rahmen hinausging und den Möglichkeiten der kulturellen Dimension einen großen Handlungsspielraum bereitstellte.

So ist das, was auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, nicht wirklich erstaunlich: Es waren Diplomaten und Wissenschaftler, die die Deutsche Puschkin-Gesellschaft 1987 gründeten.

Auf Karl Dedecius 65. Geburtstag sprach Alfred Blumenfeld, erster Leiter des neu geschaffenen Generalkonsulats in Leningrad, zuvor im Auswärtigen Amt mit wichtigen Aufgaben der neuen deutschen Ostpolitik betraut, Rolf-Dieter Keil, den Inhaber des Bonner Slavistiklehrstuhls an, was aus Anlass des 150. Todestags Puschkins geplant sei.

Nichts war geplant. Zusammen mit Michael Engelhard, ebenfalls deutscher Diplomat, der bereits durch Übersetzungen von Puschkin Gedichten auf sich aufmerksam gemacht hatte und einer der anerkanntesten Verfasser von Reden verschiedener Außenminister und auch von Bundespräsident von Weizsäcker war, entschloss man sich zur Gründung einer Puschkin - Gesellschaft im Dezember 1987 in Bonn.

Goethe hat sozusagen Pate gestanden. Denn bereits im Frühjahr 1987 hatten die Gründungsväter zum 150.Geburtstag Puschkins mit einem Sonderband der Zeitschrift „Der Kulturaustausch“ des Auswärtigen Amts unter dem Titel „ Alles Lob, das Du verdienst“ aus dem Vierzeiler Goethes „Mit einer Feder an Puschkin“ publikumswirksam auf den Dichter aufmerksam gemacht.

Die Gesellschaft hat sich zu einem soliden Faktor in den Kreisen literarisch interessierter Menschen entwickelt. Sie ist zu einem wichtigen Bestandteil unseres Beziehungsgeflechts zu Russland geworden. Ihr kommt gerade heute besondere Bedeutung zu, weil sie das, was an Kenntnis voneinander und an Vertrauen zueinander in vielen Jahren entwickelt worden ist, in Zeiten schwieriger politischer Verhältnisse zu sichern vermag.

Die Gesellschaft hat ein breites Netzwerk wissenschaftlicher und kultureller Kontakte im In- und Ausland, vor allem in Russland, aufgebaut. Internationale Symposien finden seit 1988 in regelmäßigen Abständen statt. Zuletzt 2013 in Bamberg zu dem Thema „Puschkin und der Kaukasus„; 2015 in Weimar mit Beiträgen zu „ A. Puschkin, der Dichter und die Macht; Variationen eines russischen Themas“. Im November 2017 werden wir uns in Berlin mit dem Einfluss der europäischen Kultur auf den Dichter beschäftigen. Begleitprogramme mit literarisch/ musikalischen Themen finden ein lebhaftes Echo. Eine Reihe von Publikationen ist im Laufe der Jahre entstanden. Das Hörbuch „Alexander Puschkin 1799 - 1837 Stationen eines Dichterlebens“ ist wegen seiner Wirkung für ein breites Publikum besonders hervorzuheben.

Die Gesellschaft veranstaltet regelmäßig Reisen zu den Dichterorten. Mit Führungen, Diskussionen aber auch in den Begegnungen mit den Menschen weiten sie den Blick auf Puschkin und dessen überragende Wirkung auf die russische Literatur und die russische Kultur insgesamt bis in die Gegenwart.

 

Hinweis: die Ausgabe der Umschau erscheint im September 2017

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